Thomas Schumacher

 

 Augustinus

  


Distentio Animi in Via

Zum Zeit- und Geschichtsverständnis bei Augustinus

(2004)

 

0.      Zeit und Geschichte im augustinischen Denken

1.      Zeit

1.1    Zeit und Seiendes

1.2  Zeit im Bewußtsein

1.3  Zeit aus Ewigkeit

1.4  Zeit angesichts Gottes

 

2.      Geschichte

2.1  Schöpfungszeit

      2.2  Sündenzeit

2.3  Gnadenzeit

2.4  Endzeit

2.5  Geschichtseinteilung

 

3.      Fazit: Geschichtsdenken bei Augustinus?

  

Literatur

Schaubilder 


 

0.  Zeit und Geschichte im augustinischen Denken 

Augustinus gilt nach verbreiteter Auffassung als Vorreiter oder gar Begründer eines geschichtlichen Denkens – wenn auch noch nicht einer ausgefalteten Geschichtsphilosophie im neuzeitlichen Sinn.[1] Sein Ansatz bei der menschlichen Erfahrung in der Analyse des Phänomens „Zeit“ trägt bereits Züge eines Denkens der Moderne. Gleichwohl erweist sich Augustinus in vielerlei Hinsicht als Kind seiner Zeit. Ein weitgehend von neuplatonischen Kategorien geprägtes Wirklichkeitsverständnis bildet den zentralen Ordnungsrahmen für das Denken des Augustinus. Vermittels eines erfahrungsgeleiteten Ansatzes nimmt Augustinus das Phänomen der Zeit in den Blick; die Reflexion darüber, was Zeit nun aber eigentlich ist, erfolgt in überkommenen spätantiken Denkschemata.

Augustinus erweist sich als empfänglich für die vielfältige Prägung von außen. Er hat die deutlichen Spuren von Manichäismus und Neuplatonismus in seinem Denken nie ganz hinter sich gelassen. Die Auswirkungen aus dem besonderen Verhältnis zu seiner Mutter Monica lassen sich kaum abschätzen. Dabei kennzeichnet Augustins Größe vor allem ein ungeheures Ringen um die Wahrheit, das ihn ständig vorantreibt, weiterführt und es ihm ermöglicht, stets über sich selbst hinauszuwachsen.

Augustinus hat kein geschlossenes System vorgelegt. Sein Denken entfaltet sich entlang seiner Biographie in ständiger Auseinandersetzung mit den Denkbewegungen seiner Zeit. Kategorien und Terminologie gewinnen ihre Gestalt erst aus dieser Auseinandersetzung. Dominiert in den Frühschriften primär ein neuplatonisches Denken, sind es in den späteren Schriften die Themen um Freiheit, Sünde und Gnade im Ringen um ein tieferes Verständnis des Christlichen.

Die Person Augustinus und die Fülle seiner Schriften haben eine ungeheure Wirkung auf das Mittelalter und das weitere abendländische Denken bis zur Gegenwart ausgeübt. Der Augustinus-Rezeption der letzten Jahrzehnte ist ein differenzierteres Bild über Augustinus zu verdanken, das noch immer dabei ist, das idealisierte Augustinus-Bild der vorangegangenen Jahrhunderte zu korrigieren.

Die Quellen bilden das Maß für die historische Würdigung dieses Denkers. Sie eröffnen den Blick auf das tatsächlich Gesagte, lassen die Kontingenzen im augustinischen Denken erkennen und bringen zugleich viel Bedenkenswertes ans Licht.
 

1.  Zeit

Augustinus setzt mit der Analyse der Zeit bei der menschlichen Erfahrung an. Das unreflektierte Alltagsbewußtsein kennt das Phänomen Zeit und kann im praktischen Leben damit umgehen. Erst bei dem Versuch einer tieferen Durchdringung, einer Definition oder begrifflichen Fassung stellen sich Probleme ein; diese führen Augustinus zum Eingeständnis dessen, daß er eigentlich nicht weiß, was Zeit ist.[2]


1.1 Zeit und Seiendes

Zeit stellt sich als permanente Bewegung dar: Unaufhörlich geht die Zukunft durch die unausgedehnte Gegenwart in die Vergangenheit über. Ein Augenblick nach dem anderen wird aus dem noch-nicht-Sein der Zukunft für einen Moment ohne Dauer gegenwärtig, um sofort im nicht-mehr-Sein der Vergangenheit wieder zu versinken.

Die Vergangenheit ist nicht mehr, die Zukunft ist noch nicht.[3] Zeitliches besteht hinsichtlicht Vergangenheit und Zukunft also als nicht-Seinendes. Was ist, ist immer nur die Gegenwart. Aber diese gibt es eigentlich gar nicht. Sie hat gewissermaßen kein eigenes Sein, ist sie doch unendlich kurz, ein unteilbarer Augenblick, ein Punkt ohne Ausdehnung, sozusagen nur eine punktuelle Grenze zwischen Zukunft und Vergangenheit.[4] So bleibt auch die Gegenwart nicht gegenwärtig, sondern geht augenblicklich in Vergangenheit über; somit strebt sie beständig ins nicht-Sein (tendit non esse). Würde sie nicht augenblicklich vergehen, bei jedem reflexen Versuch, sie zu erfassen, nicht immer schon vergangen sein, dann wäre sie nicht mehr zeitlich, nicht mehr sie selbst: Dies wäre die zeitlose Ewigkeit.

Augustinus unterscheidet allerdings nicht zwischen Zeitlichem und der Zeit als solcher. Sein Fokus richtet sich auf das Vergangene, das Gegenwärtige, das Zukünftige. Zeit erweist sich hier als Grunddynamik des Seienden. Keine Bewegung erfolgt ohne „etwas“, das sich bewegt, kein Wandel ohne „etwas“, das sich wandelt. Ohne Seiendes existiert keine Zeit. Wo keine Kreatur ist, durch deren wandelbare Bewegungen die Zeiten vollzogen werden, kann es überhaupt keine Zeiten geben.[5] Zeit erweist sich so als Proprium des Seienden.

Der äußere Gestaltwandel gilt als erfahrbares Indiz für eine zugrunde liegende, eine das Seiende als Seindes durchwaltende ontische Bewegung (mutabilitas). Veränderung des Seienden bedeutet, daß es aufhört zu sein, was es zuvor war, um sogleich das zu werden, was es soeben noch nicht war.[6] Zeit ergibt sich erst mit dem Wandel der Dinge, daß nämlich die Formen wechseln und sich ändern.[7]

Der Prozeß unaufhörlicher Veränderung stellt einen ständigen Übergang von Form zu Form dar.[8] Augustinus sieht den Wandel im Seienden als ein beständiges Absterben.[9] In de civitate Dei verdeutlicht Augustinus die conditio des veränderlichen Seienden am Beispiel des Menschen: Seitdem ein Mensch in seinem sterblichen Körper zu sein und leben beginnt, arbeitet mutabilitas-bedingt in ihm beständig etwas auf den Tod hin. Es gibt niemanden, der dem Tod nicht nach einem Jahr näher wäre als vor einem Jahr. Die verbleibende Lebensspanne wird mit jedem Moment verlebter Zeit kleiner, so daß dieses Leben nichts anderes ist als ein Lauf zum Tod hin.[10] Leben hat so immer den Charakter des Lebens zum Tod; es ist innerlich vom Tod durchdrungen und erweist sich als vita mortalis oder mors vitalis.[11]

Hieraus ergibt sich eine Ambivalenz: Die sich zwischen dem Nichts der Zukunft und dem Nichts der Vergangenheit ereignende Gegenwart erweist sich als unendlich kurz aufleuchtender Aufschein einer Spur der Ewigkeit (vestigium aeternitatis). Zugleich zeigt sich im nicht-mehr-Sein des Vergangenen, im flüchtigen Sein des Gegenwärtigen und im noch-nicht-Sein des Zukünftigen eine Spur des Nichts.

Das Seiende steht somit ausgestreckt zwischen Sein und Nichts.

 

1.2 Zeit im Bewußtsein

Trotz des nicht-mehr- bzw. noch-nicht-Seins von Vergangenem und Zukünftigem und dem tendit non esse der flüchtigen Gegenwart können Vergangenens, Gegenwärtiges und Zukünftiges tatsächlich erfahren werden. Ihr Sein ist aber kein reales, sondern ein ideales: Sie bezeichnen keine Realität in der äußeren Wirklichkeit, sondern haben ein Sein im Bewußtsein.[12]

Nur im Bewußtsein sind alle drei Formen der Zeit gegenwärtig: die Vergangenheit im Modus der Erinnerung (memoria), die Gegenwart im Modus der Anschauung (contuitus, attentio, intentio) und die Zukunft im Modus der Erwartung (exspectatio).[13] Infolgedessen ist statt von drei Formen der Zeit angemessenerweise eher von drei Formen der Gegenwart zu sprechen: als Gegenwart des Vergangenen, Gegenwart des Gegenwärtigen und Gegenwart des Zukünftigen.[14] Das Vergangene ist der Seele im Modus ihres Vermögens der Erinnerung (memoria) präsent. Aufgrund der Unzulänglichkeit des Geistes ist das Vergangene jedoch immer vom Vergessen bedroht. Das Zukünftige ist der Seele im Modus der Vorstellung (imaginatio) bzw. Erwartung (exspectatio) gegeben. So kann man bestimmte Anzeichen als Vorzeichen eines künftigen Ereignisses interpretieren und sich dieses Ereignis bereits anschaulich vorstellen (z.B. Morgenröte kündigt den baldigen Sonnenaufgang an).

Das Messen eines Zeitraums, d.h. ihn hinsichtlich seiner Dauer mit einem anderen Zeitraum zu vergleichen, richtet sich nicht auf die äußere Wirklichkeit, sondern erfolgt innerhalb des Bewußtseins:[15] Die Seele verarbeitet die affectiones, die die vorübergehenden Ereignisse im Bewußtsein hinterlassen haben und dort gegenwärtig bleiben, auch wenn die Ereignisse selbst schon vergangen sind.[16] Der zu bemessende Zeitraum ist der Seele in seiner ganzen Ausdehnung geistigerweise gegenwärtig. So kann Zeitliches erfahren und miteinander verglichen werden.

Jede Zeitdauer muß daher als eine Ausdehnung des Geistes (distentio animi) verstanden werden. Auch bei der Wahrnehmung von äußeren Geschehen werden die Wahrnehmungsbilder im Geist gespeichert. Der Geist dehnt sich gleichsam aus und konstituiert in sich eine Ausdehnung, die der Abfolge der äußeren Dinge entspricht. So bringt die Seele selbst diese affectiones hervor, nicht die äußere materielle Welt, die aufgrund ihres niederen Seinsstatus als völlig fragmentiert gesehen wird und für sich keine Einheit besitzt. Als Beispiel führt Augustinus die Dauer einer Pause im Vergleich mit der Dauer eines Tones an. Während der Pause erfolgt ja gerade keine Affizierung von außen, sondern wir stellen uns innerlich etwas vor, das wir messen.[17]

Die Einheit des Geschehens ist keine Qualität, die in den äußeren Dingen selbst gegeben wäre, sondern die nur im Geist konstituiert werden kann. Die Fähigkeit der distentio ermöglicht es dem Geist, aus dem Vielerlei diskontinuierlicher Augenblicke (so wie etwa ein sinnvoller Satz aus zahlreichen Einzelbuchstaben besteht, die eine völlig andere Qualität haben als der sinnvolle Satz selbst) ein Geschehensganzes mit zeitlicher Erstreckung (inhaltlich gefüllter Zeitraum) zu konstituieren. Die Erinnerung an einen langen Zeitraum in der Vergangenheit ist somit nichts anderes als eine gewissermaßen lange Erinnerung (longa memoria) an das Vergangene.[18] Bei jedem Zeitablauf ist der Geist ausgedehnt. Während die eine distentio animi, die longa expectatio, ständig abnimmt, nimmt die andere distentio, die longa memoria, ständig zu.

Zeitliche Wirklichkeit ist also nicht anders gegeben als in der Gestalt der distentiones animi im Bewußtsein. Die Seele kann disparates Vielerlei zu einem Kontinuum zusammenführen (Synthesis des Mannigfaltigen) und konstituiert auf diese Weise Zeiträume, die in der äußeren Wirklichkeit nicht als solche existieren.

Memoria, attentus und exspectatio markieren die drei Seinsweisen des Zeitlichen im Bewußtsein.

  

1.3 Zeit aus Ewigkeit

Zeitlich Seiendes bedeutet einen uneigentlichen, entäußerten Modus der Wirklichkeit. Die von Gott geschaffene Wirklichkeit gründet (1.) in ihm und ist ihrem oberen teil nach (2.) in reiner Kontemplation ganz auf Gott hin ausgerichtet. Dies ist zugleich die conditio der nicht gefallenen Engel: die conditio der civitas dei, zu deren vollendeter, d.h. nicht endender Teilnahme auch die menschliche Seele geschaffen ist. Im Unterschied zum Engel ist es der menschlichen Seele aber eigen, sich die zur beatitudo erforderliche sapientia in der Zeit, d.h. im Wachsen von Form zu Form, erst aneignen zu müssen.

Die civitas dei stellt den vollendeten Sinn-Raum, Ziel und eigentliche Heimat des Menschen dar. Sie ist Inbegriff geschaffener Wirklichkeit. Augustinus entwirft sie gleichsam als ein „mittleres“: Als sapientia creata steht sie ontisch zwischen Gott, der im lo/gov (sapientia increata) die Welt erschafft, und der Welt selbst. In der civitas ist die Idee des Geschaffenen verkörpert, indem sie als vollkommenes Abbild Gottes ganz an ihm teilnimmt, und zugleich alles Seiende an der civitas partizipiert (und vermittels ihrer an Gott). Augustinus schreibt der civitas eine eigene intellektuale Natur zu,[19] die in der reinen Teilhabe am Licht selbst Licht für alles übrige ist.[20]

Die civitas dei ist als geschaffene Wirklichkeit zeitlich. Allerdings ist diese Zeitlichkeit ohne jegliche Fragmentierung als höchste Kontinuität und somit reine Gegenwart zu denken. In ihrer vollendeten Ruhe ereignet sich keine mutatio von noch-nicht-Sein zu nicht-mehr-Sein. Diese reine Gegenwart besteht in der reinen Anschauung Gottes.[21] Idealbild dessen sind die nicht gefallenen Engel. Sie sind über allen Wandel erhaben, weil sie in der Kontemplation ständig dem unwandelbaren göttlichen Sein zugewandt sind (visio beatifica).[22] Diese reine Anschauung übersteigt jede distentio.[23]

In der civitas ist Zeit gewissermaßen eingefaltet in ihrem höchsten Punkt. Diese Zeit stellt eine immerwährende Gegenwart als Abbild Gottes dar. Alles steht im nunc. Als Beispiel führt Augustinus den Abfall der gefallenen Engel an, deren mutabilitas sich im nunc zugleich, auf einmal und für immer ereignet.

Das „nunc“ der civitas erweit sich als „perpetuum“ und „semper“. Das „aevum“ ist jedoch wesensverschieden von Gottes aeternitas. Diese stellt keine gesteigerte, lediglich unbegrenzte Zeit dar, sondern ist der Zeit gegenüber inkommensurabel.

Gott ist simplex: was er hat, das ist er.[24] Hiervon ist die geschaffene Wirklichkeit als multiplex bzw. mutabilis zu unterscheiden. Das ist zuhöchst Sein zu nennen, das sich immer auf dieselbe Weise verhält.[25] Augustinus sieht Gott in einem zeittranszendenten ewigen heute.[26]

 

1.4 Zeit angesichts Gottes

Gottes Ewigkeit ist gegenüber Zeit und aevum transzendent. Er geht der zeitlichen Wirklichkeit ontisch und nicht in Zeit voraus.[27] Schöpfung und Zeit sind koextensiv. Ohne Schöpfung würde es keine Zeit geben. Daher kann man auch keine übergeordnete Zeitachse konstruieren, um die Schöpfung zu bedenken. Da Zeit und Schöpfung miteinander einhergehen, gab es keine Zeit, in der es noch keine Schöpfung gab. Schöpfung ist gewissermaßen „für immer“, da mit ihrem Beginn auch erst Zeit beginnt. Hierin gründet der Charakter des aevum, der Unsterblichkeit des Engels und der Unsterblichkeit der Seele (Unsterblichkeit, in perpetuum).

Die Zeit gründet in Gottes Ewigkeit als ihrem tragenden Grund, so wie die Dinge gewissermaßen in Gott sind, nicht aber Gott in den Dingen ist (Partizipation). Für Gottes Zeittranszendenz gibt es kein „vor“ oder „nach“ der Schöpfung. Er umfaßt die Zeit schlechthin.[28]

Creatio ex nihilo bedeutet für Augustinus, daß die Schöpfung „ex Deo“ aber nicht „de Deo“ ist. Nur der göttliche lo/gov ist deus de deo, gezeugt aus der göttlichen Substanz. Die Welt hingegen kann für Augustinus nicht aus der göttlichen Substanz hervorgegangen sein, sonst müßte sie ja ebenso unwandelbar sein. Da es aber außer Gott kein anderes Prinzip gibt, kann die Welt nur aus nichts sein.[29] Dieses „nichts“ deutet Augustinus nicht mehr gnostisch-dualistisch als substantialen Widerpart zum Sein. Es bleibt aber gewissermaßen ein logischer Gegenpol zum Sein, indem Augustinus die Wirklichkeit – gleichsam als Gemischtes – zwischen Sein und nichts verortet sieht.

Gottes absolutes, anfangloses Schaffen ist ein unmittelbares Schaffen „im Wort“ (lo/gov).[30] Alles, was anfängt und vergeht, wird in Gottes ewiger Vernunft erkannt.[31] Das Gott-Welt-Verhältnis gestaltet sich asymmetrisch: Gott erkennt die Dinge nicht, insofern sie sind, sondern die Dinge sind, insofern er sie erkennt.

 

2.  Geschichte

2.1 Schöpfungszeit

Geschichte ist ein Proprium des Menschen. Auf der einen Seite ist die mutabilitas Vorbedingung für das permanente Dahingerissenwerden aus dem noch-nicht der Zukunft ins nicht-mehr der Vergangenheit. Auf der anderen Seite ist es zur Konstitution von Geschichte erforderlich, daß in der zeitlich fragmentierten Diskontinuität der äußeren Welt vermittels der distentio-Bewegung des Geistes eine Einbergung des Vielerlei in ein einheitliches Zeitraum-Kontinuum erfolgt.

Geschichte ereignet sich insofern nicht in der civitas, die von ihrem ontischen Status her jeder Fragmentierung und zeitlicher Aufspannung enthoben ist (simul).

Ereignis-Ort der Geschichte ist vielmehr die Seele, die vom Naturstand her in eine conditio hinein geschaffen ist, daß sie des Wachstums und Voranschreitens bedarf: Sie muß zunächst in der sapientia wachsen, um zur beatitudo der Seligkeit in der himmlischen Heimat der civitas zu gelangen. Hierin besteht der entscheidende Unterschied zwischen Mensch (=Seele) und Engel. Beide bestehen – insofern sie Seiende sind – ja notwendig als ein „etwas“, dem ein gewisses Substrat zugrunde liegen muß. Dies ist die materia spiritalis.[32] Ein Seiendes ist für Augustinus notwendigerweise immer ein etwas, das irgendwie ist, d.h. eine geformte materia.

Für die körperliche Welt ist dieses Substrat die materia informis,[33] die jedoch niemals für sich, niemals ohne Form bestehen kann. Die menschliche Geistseele (geformte materia spiritalis) vereinigt ontisch niedere geformte materia zur relativen Einheit des Leibes eines Menschen. Die menschliche Natur wird hier als Compositum aus Seele und Fleisch vorgestellt. Dieses Fleisch war im Urstand seinerseits geistig, d.h. es bestand nach Augustins Vorstellung auf einer gewissen relativen Seinshöhe zwischen Sein und nichts.

Nichts ist nichts, was Gott oder esse entgegengesetzt wäre.[34] „Nichts“ hat überhaupt kein Sein und ist überhaupt nichts.[35] „Nichts“ bezeichnet die maximale Seinsferne, den – nur grenzwertig-abstraktiv vorstellbaren – ontisch tiefsten Seinsrang, an dem es überhaupt kein Sein mehr gibt: ein Zustand, den es also selbst eigentlich nicht gibt. Der Mensch nun hat einen gewissen relativen Anteil am Sein: die Seele mehr, das Fleisch weniger. Das Fleisch als der untere Teil wird von der Seele geformt und gehorcht ihr als dem oberen Teil.

Die Seele nun existiert auf ihrem relativen Seinsniveau, um an Weisheit zu wachsen, sich nach oben auszurichten, Gott zuzuwenden und so einmal in die Ruhe der civitas, die nie endende bleibende Hinordnung auf Gott (visio beatifica), einzugehen.

Die Zuwendung auf Gott in der jeweiligen Entwicklungsstufe erfolgt vermittels des liberum arbitrium, der geistig-voluntativen Natur des Menschen.

 „liberum arbitrium“ bezeichnet zunächst die Befähigung zur Wahl. Der freie Wille trifft eine Entscheidung, indem er das eine vorzieht, das andere hingegen im Akt der Wahl ausschließt. Bei dieser Wahl ist der Geist das Subjekt der Entscheidung. Gegen den Manichäismus beharrt Augustinus auf der Einzigkeit der Seele, während nach manichäischer Auffassung zwei Seelen im Menschen miteinander im Widerstreit liegen. Stattdessen erblickt Augustinus in der einen Seele des Menschen zwei unterschiedliche Willen am Werk, die die Seele hin- und herreißen.[36] Diese beiden Willen repräsentieren die beiden Ausrichtungen, die sich aus dem aufgespannten Zwischenzustand des Menschen zwischen Sein und nichts ergeben. Der Wille erblickt das Sein als Ziel, auf das hin er seine Dynamik richten sollte. Andererseits aber erblickt „der andere Wille“ auch das Nichts. Für Augustinus ist der menschliche Wille auf diese Weise bereits im Urstand geschwächt, weil er seine Dynamik in zwei unterschiedliche Richtungen ausrichten könnte. Der Wille ist geschwächt, weil er nicht mit seiner ganzen Kraft auf ein einziges Ziel hin ausgerichtet ist (Entscheidungsfreiheit), sondern sich ihm zwei alternative Richtungen für seine Ausrichtung darbieten (Wahlfreiheit), und er infolgedessen nicht mit seiner ganzen Kraft auf einmal, nicht als ganzer gebietet (malum naturale, malum metaphysicum).

Schöpfungszeit markiert die erste Phase kreatürlicher Geschichte. Das liberum arbitrium steht zwischen Sein und nichts und kann sich frei entscheiden, in welche Richtung es sich orientieren soll.

 

2.2 Sündenzeit

Bereits aufgrund des malum naturale[37] ist der menschliche Wille anfällig für das Nichts. Und in der tat entscheidet sich „Adam“ dafür, sich in Richtung nichts zu wenden. Der Sündenfall geschah aus völliger Freiheit; es wäre ein leichtes gewesen, ihn zu vermeiden.[38] Die Sünde selbst hat kein Sein. Sünde meint maximale Distanz zum Sein. Sünde ist „nichts“, und die Menschen werden zu nichts, wenn sie sündigen.[39]

Der Sündenfall bedeutet einen Seinsverlust des Menschen: War im Urstand selbst das Fleisch geistig, ist mit dem Sündenfall selbst der Geist fleischlich geworden.[40] Der Abstand der Seele von ihrem Ursprung und Ziel ist nach dem Sündenfall zu groß, als daß sie sich aus eigenen Kräften wieder auf Gott hin orientieren und den Aufstieg in Angriff nehmen könnte. Auch der Wille ist auf dem nun erreichten niederen Seinsniveau (fernab vom Sein, nahe dem Nichts) erheblich geschwächt. Die Seele ist zwar noch im Besitz des liberum arbitrium (des unverlierbaren Vermögens, Subjekt seiner eigenen Willensentscheidungen zu sein); sie hat aber mit dem Sündenfall die libertas verloren, d.h. die Möglichkeit des rechten Gebrauchs des liberum arbitrium.[41] Mit dem Verlust der libertas geht die Verselbständigung der libido einher. Die sexuell-fleischlich verstandene concupiscentia erfaßt nun den ganzen Menschen, der Geist kann ihr kaum mehr etwas entgegensetzen und wird als mens carnalis von der concupiscentia sogar mit erfaßt. Merkmale dessen sind Triebhaftigkeit, radikale Ungeordnetheit, Entzug der concupiscentia vor der Herrschschaft durch den Willen.[42] Der Leib-Geist-Antagonismus wird zum Antagonismus innerhalb des Willens. Der Wille zum Fleisch ist jedoch (fernab vom Sein) stärker als der Wille zum Aufstieg zur Transzendenz.

Die Ursünde und ihre Folgen trifft die ganze Menschheit, die entfesselte concupiscentia lastet als Urverhängnis[43] über allen Menschen.[44] Alle Menschen, die nach Adam geboren werden, waren zuvor „in Adam“ gewissermaßen schon im voraus (prae-)existent. So haben alle in Adam auch tatsächlich mitgesündigt, insofern sie ja in ihm waren.[45] Alle Menschen sind so mit Adam gefallen,[46] jeder Mensch wird nun mit einer degenerierten Natur geboren, die zusammen mit der Erbschuld durch die sexuelle Zeugung im Fleisch wirkursächlich übertragen wird.

 

2.3 Gnadenzeit

Im gefallenen Zustand wäre es das Los des Menschen, schließlich im Nichts zu versinken und nicht zur civitas zu gelangen. So ist es für den Menschen nur mit einer erneuten göttlichen Hilfe, der Gnade, möglich, den selbst verschuldeten Unheilszusammenhang zu überwinden. Zur Sünde genügt der freie Wille, zur Rückkehr bedarf es der Hilfe des Arztes.[47]

Die Gnade ereignet sich durch das Erlösungswerk, den Opfertod des inkarnierten lo/gov, Jesus Christus.[48] Nach Augustins Verständnis des Römerbriefs haben „in Adam“ alle tatsächlich gesündigt, „in Christus“ (typologische Deutung als neuer Adam) werden jedoch alle gerecht gemacht. Diese Schicksalgemeinschaft ergibt sich aus dem metaphysischen Konzept, das Augustinus annimmt. Alle Menschen sind tatsächlich „in Adam“ gewesen, sofern sie ja später vermittels Fortpflanzung aus ihm hervorgegangen sind. Eine Erlösung der Welt „in Christus“ ist deshalb möglich, weil die Welt in Christus erschaffen ist. Die spätere Größe wird in Abhängigkeit von der früheren gedacht.[49] Eine Erlösungstat durch den, der causa mundi ist, hat somit ipso facto eine Auswirkung auf den ganzen mundus.

Die Notwendigkeit zu dieser Gnade ergibt sich aufgrund der Kontingenz der menschlichen Natur, zur Tilgung der Erbschuld und zur Reinigung von den Begierden. Kraft der göttlichen Gnade erhält die Seele erneut die Möglichkeit zum Aufstieg. Der ontische Aufstieg geht mit einem existentiellen Aufstieg einher. Dabei unterscheidet Augustinus vier Stadien:[50]

  1. ante legem: Das liberum arbitrium wird durch die fleischliche concupiscentia determiniert. Der Mensch kann aus eigener Kraft den ascensus nicht vollbringen.
  2. sub lege: Gott gibt – bereits durch die Gnade vermittelt – dem Menschen sein Gesetz. Mit der Erkenntnis des Gesetzes wird sich der Mensch seines Zustands bewußt. Er erkennt seine Sündhaftigkeit und seine radikale Erlösungsbedürftigkeit. Die Sünde erscheint in ihrer vollen Schärfe als Widerspruch zum göttlichen Gesetz. Die Notwendigkeit wird deutlich, den entschlossenen Kampf gegen die Begierden aufzunehmen.
  3. sub gratia: Die Gnade bewirkt die innere Erneuerung des Menschen. Der Mensch wird durch die Gnade, die er im Glauben erlangt, gereinigt und umgewandelt (homo vetus => homo novus). Sie macht ihn fähig, das Gesetz zu erfüllen. Zur Erlangung des Glaubens, der seinerseits nochmals einen Stufenweg bedeutet, ist eine spezielle vocatio durch Gott erforderlich. Einigen Seelen wird diese zuteil, anderen nicht (Prädestination).
  4. in pace: Mit dem Tod des Leibes fällt die concupiscentia weg. Der Geist (vermittels der materia spiritalis ja pneumatisch-leiblich vorgestellt) nimmt endgültig teil an der civitas und kommt in der Kontemplation Gottes zur Ruhe.

 

2.4 Endzeit

Das himmlische Leben in der vollen Teilhabe an der civitas ist das Ziel des menschlischen Daseins. Es ist in mehrfacher Hinsicht die Vollendung des in der Gnade neu gewordenen Menschen: als geistige Vollendung im Sinne der erfüllten Sehnsucht nach beatitudo, als Vollendung der Freiheit und als Vollendung der menschlichen Gestalt, die – auferweckt in Unverweslichkeit (1 Kor 15, 42-44) – nun ganz geistig ist.

Die civitas bezeichnet die Gemeinschaft der Erwählten in Gott. Gott selbst – nunmehr alles in allem – ist das Fundament dieser Gemeinschaft, indem er die Gemeinschaft von innen her in der Liebe begründet. Die Gemeinschaft der civitas ist durch die Gnade genauso vollendet, wie das Sein jedes Einzelnen vollendet worden ist. Hierin ereignet sich das gemeinschaftliche Leben der Heiligen,[51] die sich nun miteinander und aneinander in Gott erfreuen.[52] Augustinus bezeichnet das aevum der civitas als den wahrhaft großen Sabbat, der keinen Abend kennt.[53]

 

2.5 Geschichtseinteilung

Analog zur Geschichtseinteilung seiner Zeit unterscheidet Augustinus sechs Zeitabschnitte (articuli), die den sechs Lebensaltern (aetates) sowie dem im Buch Genesis überlieferten Sechstagewerk bei der Schöpfung der Welt entsprechen.

  1. Zeitabschnitt Adam bis Noah ≈ infantia ≈ erster Schöpfungstag: Wie der Schöpfer im Anfang das Licht ins Sein rief, so erblickt die Menschheit in der infantia ihres Werdens das Licht der Welt.[54] Die Sintflut löscht die Menschheit aus, wie das Vergessen die infantia vernichtet.
  2. Zeitabschnitt Noah bis Abraham ≈ pueritia ≈ zweiter Schöpfungstag: Die Erschaffung des Firmaments als Scheide zwischen oberem und unterem Wasser deutet bereits hin auf die Tatsache, daß Noahs Arche die Wasser der Sintflut durchstreift. Wie sich die Arche über dem Wasser hält, so widersteht die pueritia dem Gedächtnisverlust.
  3. Zeitabschnitt Abraham bis David ≈ adolescentia ≈ dritter Schöpfungstag: Die Trennung von Wasser und Land korrespondiert mit der Tatsache, daß das auserwählte Volk aus der Menschheit aufsteigt und wie das trockene Land nach dem Regen der göttlichen Gebote dürstet. Die Jugendzeit befähigt zur Zeugung; so wird in Abraham das Gottesvolk erzeugt und aus der Welt ausgesondert.
  4. Zeitabschnitt David bis babylonisches Exil ≈ iuventus ≈ vierter Schöpfungstag: Dem Glanz der Gestirne am Firmament entspricht die Herrlichkeit des Reiches Davids. Wie die iuventus dem Menschen den Höhepunkt seiner Aktivität ermöglicht, so erreicht das Reich mit David den Gipfel seiner Macht.
  5. Zeitabschnitt Exil bis Jungfrauengeburt ≈ declinatio ≈ fünfter Schöpfungstag: Das Reich verliert von David bis zur babylonischen Gefangenschaft an Macht und Einfluß. Die Hervorbringung von Vögeln und Fischen entspricht der Zerstreuung des jüdischen Volkes im Exil, das wie die Vögel keine feste Bleibe hat.
  6. Zeitabschnitt seit der Geburt des Herrn ≈ senectus ≈ sechster Schöpfungstag: Dem Siechtum des Greises entspricht die Zerstreuung des Volkes in alle Welt. Der Erschaffung des Menschen entspricht die Geburt Jesu Christi im Fleisch, worin der neue Mensch grundgelegt ist. Augustinus spricht demgemäß auch nicht von einer senectus mundi, sondern vom Niedergang des alten Menschen.[55] Der neue Mensch aber verleiht der ganzen Welt den Charakter des Neubeginns und des Aufbruchs.
  7. Der siebte Tag der Sabbatruhe, der auf die eschatologische Ruhe hinweist, wird in einen achten Tag gleichsam überhöht, der eine gänzlich andere Qualität als das Nacheinander der sieben Tage besitzt. Da der ewige Sabbat keinen Abend hat, kann man ihn als den achten Tag ansehen, der ewig ist und jenseits aller Wochen und Zeiten liegt. Augustinus sieht im achten Tag die Vollendung der Rückkehr und setzt den achten Tag daher in Entsprechung zum ersten. [56]

Augustinus sieht in den zeitlichen Geschehnissen des seaculum ein Abbild (imago) dessen, was im biblischen Schöpfungsbericht überliefert ist. Von hier aus könne man den Ablauf der Zeit verstehen und Voraussagen über das Künftige betrachten.[57]

Die Ereignisse der Profangeschichte werden in ein festes Schema eingepaßt. Die Periodisierungen der Geschichte analog zum Sechstagewerk oder den Lebensabschnitten entsprechen der inneren Ordnung der Zeit (ordo temporum), die wie eine Melodie geordnet aufgebaut ist. Wenn die Zeiten nur verstreichen würden, ohne daß man sie in Abschnitte unterteilt, könnten die Zeiten nur vorüberfließen, ohne für den Menschen verstehbar zu sein.

 

 3.  Fazit: Geschichtsdenken bei Augustinus?

Augustinus bedenkt das Geschichtliche an vielen Stellen seines Werkes, insbesondere in den Confessiones und in de civitate Dei. Sein Geschichtsbegriff ist aber – anders als der neuzeitliche – nicht von der Abfolge äußerer Ereignisse geprägt. Diese werden vielmehr in ein übergeordnetes Rahmenkonzept eingeordnet. Nach der Einschätzung Flaschs haben wir es hier mit einer „theologischen Rahmenkonstruktion, nicht mit einer historisch konkreten Philosophie der Geschichte zu tun.“[58] Müller konstatiert eine „Ambivalenz“ im augustinischen Denken, das das Phänomen des Geschichtlichen zwar immer wieder streift, ohne es jedoch zum eigentlichen Gegenstand seiner Überlegungen zu machen.[59]

Der augustinische Geschichtsbegriff ist stark von seiner Umwelt geprägt. Er versteht Geschichte als „Zeit natürlicher Reifung“ (1. Clemensbrief) mit dem Ziel der „Herstellung des Heils“ (Irenäus). Von Origines, der „historia“ als Methode zur Schriftauslegung versteht, übernimmt Augustinus den Ansatz, auch die tatsächlichen Geschehnisse (=historischer Schriftsinn) zu berücksichtigen (gegen die Gnostiker, die nur eine symbolische Auslegung akzeptieren), um auf dieser Basis jedoch zur allegorisch-spirituellen Exegese überzugehen, die das eigentliche Ziel der historia-Methode darstellt. Von der antiochenischen Exegetenschule übernimmt Augustinus das typologische Verfahren. Dabei werden „historia“ und „figura“ zu weitgehend miteinander austauschbaren Begriffen. In den Fokus rücken Entsprechungen im ökonomischen Plan (z.B. Adam – Christus; Eva – Maria). Die Abfolge der äußeren Ereignisse (Reiche, Völker, Kulturen) bleibt irrelevant. Weltgeschichte erscheint als begrenzter, auf die Entwicklung hin zu einem (jenseitigen?) Ziel beschränkter Prozeß, der keinen eigenständigen Wert besitzt und daher auch nicht selbst zum Gegenstand des Bedenkens wird.

Flasch greift die Einschätzung Heideggers auf: Augustinus habe „das Phänomen der Zeitlichkeit des menschlichen Lebens gesehen, nur habe er seine ursprüngliche Erfahrung der Zeit schließlich dadurch preisgegeben, daß er, im neuplatonischen Denken verharrend, das eigentliche Sein als das bleibende ansah.“[60]

So wie die einzelne Seele aufgespannt ist und die fragmentierte Zeit zu einheitlichen Zeiträumen zusammenschließt, so ist auch die Menschheit aufgespannt über einen großen Zeitraum, der in der Geschichte seine Einheit hat. Augustinus hat die Konsequenzen aus seiner erfahrungsbezogenen Zeitanalyse nicht weiter verfolgt, sondern begnügte sich mit einem neuplatonischen Verständnisschema. In seinen Spätschriften (de civitate Dei) dominiert die Sicht von Sünde und Gnade. „Hätte Augustinus diese Einsicht [nämlich: in das Faktum Zeit und Geschichte] konsequent festgehalten, wäre er tatsächlich der Begründer der Geschichtsphilosophie geworden, als den man ihn zuweilen fälschlich rühmt.“[61]

 
 

Literatur

Angehrn, Emil: Geschichtsphilosophie (Grundkurs Philosophie 15), Stuttgart – Berlin – Köln 1991, S.45-56

Balthasar, Hans Urs von: Das Ganze im Fragment. Aspekte der Geschichtstheologie, Einsiedeln 1963, S.11-59

Flasch, Kurt: Augustin. Einführung in sein Denken, Stuttgart 1980

Kienzler, Klaus: Gott in der Zeit berühren. Eine Auslegung der Confessiones des Augustinus, Würzburg 1998

Marrou, Henri: Augustinus. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (rowohlts Monographien), 3. Aufl. 1965

Müller, Christof: Geschichtsbewußtsein bei Augustinus. Ontologische, anthropologische und universalgeschichtlich/heilsgeschichtliche Elemente einer augustinischen Geschichtstheorie (CASSICIACUM XXXIX/2), Diss. Würzburg 1993

Wachtel, Alois: Beiträge zur Geschichtstheologie des Aurelius Augustinus, Diss. Bonn 1960

Wittmann, Leopold: Ascensus. Der Aufstieg zur Transzendenz in der Metaphysik Augustins (Epimeleia 32), Diss. München 1980

 

 

Schaubilder (pdf)

 

 


[1] Angehrn, 45

[2] Conf. XI, XIV,17: quid est ergo tempus? si nemo ex me quaerat, scio; si quaerenti explicare velim, nescio.

[3] Conf. XI, XIV,17: quomodo sunt, quando et praeteritum iam non est et futurum nondum est? praesens autem, si semper esset praesens nec in praeteritum transiret, non iam esset tempus, sed aeternitas.

[4] Conf. XI, XV, 20: quod in nullas iam vel minutissimas momentorum partes dividi possit, id solum est, quod praesens dicatur; quod tamen ita raptim a futuro in praeteritum transvolat, ut nulla morula extendatur. nam si extenditur, dividitur in praeteritum et futurum. praesens autem nullum habet spatium.

[5] De civ. Dei XII, XVI: ubi enim nulla creatura est, cuius mutabilibus motibus tempora peraguntur, tempora omnino esse non possunt. De Gen. ad litt V, V,12: motus enim si nullus esset … nullum esset tempus omnino. Conf. XI, XXX,40: nullum tempus esse posse sine creatura

[6] Conf. XII, VI,6: mutabilitas qua desinunt esse quod fuerant et incipiunt esse quod non erant.

[7] Conf. XII, VIII,8: mutabilis mundus … in quo ipsa mutabilitas apparet, in qua sentire et dinumerari possunt tempora, quia rerum mutationibus fiunt tempora, dum variantur et vertuntur species. Conf. XII, XI,14 : quia sine variegate motionum non sunt tempora, et nulla varietas, ubi nulla species.

[8] Conf. XII, VI,6: transitus de forma in formam

[9] In Io Ev XXXVIII,10: video ibi quandam vitam in eo quod est et mortem in eo quod fuit.

[10] De civ. Dei XIII, X: ex quo enim quisque in isto corpore morituro esse coeperit, numquam in eo non agitur ut mors veniat. hoc enim agit eius mutabilitas toto tempore vitae huius (si temen vita dicenda est), ut veniatur in mortem … cottidie fit minus minusque quod restet.

[11] Conf. I, VI,7: nescio unde venerim huc, in istam dico vitam mortalem an mortem vitalem?

[12] Nur im Übergangspunkt der Gegenwart, der keinerlei Ausdehnung besitzt, hat ein zeitliches Ereignis in der äußeren Wirklichkeit ein punktuelles Sein; vgl. Conf. XI, XXI,27: ex illo ergo, quod nondum est, per illud, quod spatio caret, in illud, quod iam non est.

[13] Conf. XI, XX,26: sunt enim haec in anima tria quaedam et alibi ea non video: praesens de praeteritis memoria, praesens de praesentibus contuitus, praesens de futuris exspectatio. In seiner späteren Schrift de trinitate unterscheidet Augustinus noch deutlicher: Er bemerkt einerseits die aktuelle Gegenwart der drei Zeitformen im konkreten Bewußtseinsakt (solange dieser andauert) und andererseits die habituelle Gegenwart dieser (potentiellen) Bewußtseinsinhalte, immer wenn das Bewußtsein sich diese Inhalte gerade nicht vergegenwärtigt.

[14] Conf. XI, XX,26: nec proprie dicitur: tempora sunt tria – praeteritum, praesens et futurum – sed fortasse proprie diceretur: tempora sunt tria – praesens de praeteritis, praesens de praesentibus, praesens de futuris.

[15] Conf. XI, XXVII, 35: non ergo ipsas, quae iam non sunt, sed aliquid in memoria mea metior, quod infixum manet.

[16] Conf. XI, XXVII, 36: In te, anime meus, tempora metior … affectionem, quam res praetereuntes in te faciunt et, cum illae praeterierint, manet, ipsam metior praesentem, non ea quae praeterierunt.

[17] Conf. XI, XXVII, 36: quid cum metimur silentiam et dicimus illud silentium tantum tenuisse temporis, quantum illa vox tenuit, nonne cogitationem tendimus ad mensuram vocis, quasi sonaret, ut aliquid de intervallis silentiorum in spatio temporis renuntiare possimus?

[18] Conf. XI, XXVIII,37: non igitur longum tempus futurum, quod non est, sed longum futurum longa exspectatio futuri est, neque longum praeteritum tempus, quod non est, sed longum praeteritum longa memoria praeteriti est.

[19] Conf. XII, IX,9: nimirum enim caelum caeli, quod in principio fecisti, creatura est aliqua intellectualis

[20] Conf. XII, XV,20: sapientia, quae creata est, intellectualis natura scilicet, quae contemplatione luminis lumen est … interest inter lumen, quod inluminat et quod inluminatur, tantum inter sapientiam, quae creat, et istam, quae creata est.

[21] Conf. XII, XIII,16: illud enim caelum caeli, caelum intellectuale, ubi est intellectus nosse simul, non ex parte, non in aenigmate, non per speculum, sed ex toto, in manifestatione, facie ad faciem ... sine ulla vicissitudine temporum

[22] Conf. XII, XI,13: indesinenter et indeficienter tibi cohaerendo nullam patitur vicissitudinem temporum

[23] Conf. XII, XV,22: supergreditur enim omnem distentionem

[24] de civ. dei XI, X,1: ideo simplex dicitur, quoniam quod habet hoc est

[25] de mor. eccl. II, I,1 : hoc maxime esse dicendum est, quod semper eodem modo sese habet

[26] Conf. XI, XIII,16: tu autem idem ipse es, et anni tui non deficient. anni tui nec eunt nec veniunt … anni tui omnes simul stant … anni tui dies unus, et dies tuus on cotidie sed hodie

[27] Conf. XI, XIII,16: nec tu tempore tempora praecedis; alioquin non omnia tempora praecederes

[28] de div. quaest. LXXXIII, qu.17 : apud deum autem nihil deest, nec praeteritum nec futurum, sed omne praesens est apud Deum ; de civ. dei XI, XXI : quemadmodum temporalia movet nullis suis temporalibus motibus

[29] Conf. XII, VII,7: fecisti enim caelum et terram non de te: nam esset aequale unigenito tuo ac per hoc et tibi, et nullo modo iustum esset, ut aequale tibi esset, quod de te non esset. et aliud praeter te non erat, unde faceres ea … et ideo de nihilo feristi caelum et terram

[30] Conf. XI, IX,11: fecisti caelum et terram in verbo tuo, in filio tuo; Conf. XI, VII,9: nec aliter quam dicendo facis – vgl. die neuplat. Ansicht, gemäß der die Emanation aus der yuxh/ - und zwar ihrem unteren Teil nach – entspringt.

[31] Conf. XI, VIII,10: omne, quod esse incipit et esse desinit ... in aeterna ratione cognoscitur, ubi nec incipit aliquid nec desinit. ipse est verbum tuum, quod et principium est.

[32] de Gen. ad litt. VII, XXVIII,43: nunc tamen de anima quam dues inspiravit homini sufflando in eius facies, nihil confirmo, nisi quia ex deo sic est, ut non sit substantia dei et sit incorporea, id est non sit corpus sed spiritus, non de substantia dei genitus nec de substantia dei procedens, sed factus a deo, nec ita factus, ut in eius naturam natura ulla corporis vel inrationalis animae verteretur, ac per hoc de nihilo

[33] Conf. XII, VIII,8: tu enim, domine, fecisti mundum de matera informi; de ver. rel. XVIII,36: de aliqua informi materia factus est mundus, haec ipsa facta est omnino de nihilo

[34] de mor. eccl. II, I,1 : esse enim contrarium non habet nisi non esse. nulla est ergo deo natura contraria

[35] de nat. bon. XXV,25 : nihil utique non est aliquid, quando vere et proprie dicitur

[36] Conf. VIII, X,23: animam unam diversis voluntatibus

[37] Augustinus empfindet das malum naturale gar nicht problematisch. Er sieht hierin einen ordo successionis (de ver. rel. XXI, 41), der das Weltganze (Entstehen, Vergehen) im Gleichgewicht hält.

[38] de civ. dei XIV, XV,1: tanta erat non peccandi facilitas

[39] in Io. Ev. tr. I,13: manifestum est quia peccatum nihil est et nihil fiunt homines cum peccant

[40] de civ. dei XIV, XV: homo ... etiam carne spiritalis, fierat etiam mente carnalis

[41] de lib. arb. III, XVIII,57 : ignorando non habeat arbitrium liberum voluntatis ad eligendum, quid recte faciat

[42] Augustinus wendet sich entschieden gegen den Pelagianismus, der eine Autarkie des Willens vertritt.

[43] de lib. arb. III, XVIII,52 : poena damnati

[44] de civ. dei XIV, XX: ipsa natura ... in deterius est mutata peccato

[45] de civ. dei XIII, XIV: omnes enim fuimus in illo, quando fuerimus ille unus; de quaest. ad simpl. I qu.II,19: una est enim Adam massa peccatorum et impiorum

[46] de civ. dei XIV, XXVI: universa massa tamquam in vitiata radice damnata est

[47] de nat. et grat. XXIII, 25 : ut in peccatum iret, sufficit liberum arbitrium, quo se ipse vitiavit ; ut autem redeat ad iustitiam, opus habet medico, quoniam sanus non est, opus habet vivificatore, quia mortuus est

[48] Conf. X, XLIII,70: redemit me sanguine suo; de trin. IV, I,2: reconciliati sumus Deo per mortem filii eius

[49] vgl.die neuplatonische Auffassung, daß die yuxh/ ihrem unteren Teil nach die Emanation bewirkt.

[50] vgl. de civ. dei XXI, XVI

[51] de civ. dei XIX, V: socialis vita sanctorum

[52] de civ. dei XIX, XIII: frui invicem in deo

[53] de civ. dei XXII, XXX,4: vere maximum sabbatum non habens vesperam

[54] Erklärungen der einzelnen Schöpfungstage nach de Gen. adv. Man. 1,35-40

[55] div. qu. 58,2: finis autem saeculorum tamquam senectus veteris hominis, cum totum genus hmanum tamquam unum hominem constitueris, sexta aetate signatur, qua dominus venit.

[56] de civ. dei XXII,30 ; En. in Ps. 6,2 : requies illa, quae sempiterna est, excipitur ab octavo, non exstinguitur ; neque enim esset aliter sempiterna. ita ergo erit octavus, qui primus.

[57] de Gen. adv. Man. 1,41 : ista exspectatio per ordinem dierum sic indicat tamquam historiam rerum factarum, ut praedicationem futurorum maxime observet.

[58] Flasch, 369

[59] Müller, 325-326

[60] Flasch, 267

[61] Flasch, 371